„Was ist Wahrheit?“ Pontius Pilatus, der diese Frage dem zur Verurteilung stehenden Jesus Christus gestellt haben soll, ist nicht die erste, aber wahrscheinlich die meist zitierte Persönlichkeit der Geschichte, mit denen sie verbunden wird.
Mit Pilatus blicken wir in eine Zeit, die zwei Jahrtausende in der Vergangenheit liegt und an einen Ort, der von einem uns heute nur schwer verinnerlichbaren kulturellen Umfeld geprägt war. Das führt direkt zu der Frage, was die Menschen, die diese Zeilen etwas später in altgriechischer Sprache auf Pergament geschrieben haben, bei der Verwendung des Wortes „Alitheia“ empfunden haben. Ist es das gleiche, das wir heute empfinden, wenn wir das deutsche Wort „Wahrheit“ verwenden? Und verursacht dieses deutsche Wort in uns die gleiche Bedeutsamkeit, wie das chinesische „Zhēnxiàng“ bei Chinesen?
Es geht dabei nicht nur um das alte Problem sprachlicher Übersetzungen unter Berücksichtigung historischer und kultureller Besonderheiten, sondern um die Grundlage eines Empfindens, das die Menschen schon bald nach dem Beginn schriftlicher Aufzeichnungen mit einem einzigen Wort zu beschreiben versuchten.
Als von Menschen erfundener, künstlicher Begriff – Wahrheit hat keine fassbare Entsprechung in der Natur und ist nicht messbar – muss dieser Versuch scheitern. Klar scheint nur, dass der Grund für seine Erfindung einem menschlichen Bedürfnis nach Sicherheit, Klarheit und Stabilität entspricht – drei Begriffe, die zwar weniger abstrakt als Wahrheit sind, aber ebenfalls keine fassbare Entsprechung in der Natur haben und nicht messbar sind.
Es soll hier aber kein „Horror vacui“ als Folge einer Dekonstruktion menschlicher Sprachwelten provoziert werden. Was hier zu sehen und zu lesen ist, ist lediglich ein Versuch, drei in der deutschen Sprache oft synonym verwendete Begriffe voneinander zu unterscheiden und bei dieser Gelegenheit den Grad ihrer grundsätzlich subjektiven Natur aufzuzeigen.
Die Motivation dafür liefern zuletzt verstärkt auftauchende öffentliche Diskussionen über den Wahrheitsbegriff, die mehrheitlich davon ausgehen, er sei von seiner Natur her sowohl objektiv als auch eindeutig und darüber hinaus der einzig erforderliche für die Beschreibung der weiten und vielfältigen menschlichen Empfindungswelten, die mit ihm assoziiert werden.
Dieses Weblog liefert Argumente dafür, dass die Welt komplizierter, damit aber auch vielfältiger, lebendiger und reicher ist, als wir sie zumeist wahrnehmen. Es sind verschiedene Methoden bekannt, um mit dieser Kompliziertheit umzugehen. Die jeweils angewandte Methode bestimmt, wie sehr die mit ihr gewonnenen Erfahrungen eher mit den Begriffen Wirklichkeit, Realität oder Wahrheit beschrieben werden können.